AdressePaul-Jerchel-Straße 9
OrtNauen
Verlegedatum27.09.2016
Geboren06.02.1902
Gestorben09.10.1944
© Andrea Johlige

Paul Bolislaus Jerchel wurde am 6. Februar 1902 in Schildberg/ Posen als Sohn des Ziegeleiarbeiters Wilhelm Jerchel und Pauline Jerchel geb. Nensa geboren. 1914 kam er mit seinen Eltern nach Nauen. Hier besuchte er die Volksschule und erlernte anschließend den Beruf des Ankerwicklers. Am 2. Mai 1925 heiratete er Frau Lisbeth Michaelis. Mit ihr bekam er sieben Kinder, 1944 lebten jedoch nur noch drei davon. Die Familie war wohnhaft auf dem Nauener Lietzowplatz 11. 

Im Jahre 1927 trat er der SPD bei, in der er fortan aktiv tätig war. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 äußerte er offen seine Meinung und wurde deswegen mehrfach wegen „Hetzreden“ entlassen. Im Jahre 1942 wurde er schließlich von einem Arbeitskollegen, der Mitglied der NSDAP war, bei der Gestapo denunziert, weil er den Zweiten Weltkrieg als „Sinnloses Morden“ bezeichnet hatte. Nach seiner Verhaftung folgte eine zweijährige Odyssee durch verschiedene Gefängnisse, bevor er am 26. Juli 1944 durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wurde.

Nach der Urteilsverkündung kam er in das Zuchthaus Brandenburg. Vor seiner Hinrichtung schrieb er noch mit gefesselten Händen einen Abschiedsbrief an Frau und Kinder, der sich bis heute in den Händen der Nachfahren befindet. Darin bat er, auf seinem Grabstein ein Zitat von Ludwig Uhland anzubringen:

Der Dienst der Freiheit ist ein schwerer Dienst.
Er bringt nicht Gold, er bringt nicht Fürstengut.
Er bringt Verbannung, Kerker, Schmach und Tod.
Doch ist aber dieser Dienst, der schönste Dienst.

Am 9. Oktober 1944 um 12:30 Uhr wurde das Todesurteil durch das Fallbeil in Brandenburg vollstreckt.  

Die Urne von Paul Jerchel wurde auf dem Städtischen Friedhof Nauen beigesetzt. Das Grab und der Grabstein mit dem Gedicht wurden später zum Ehrengrab und existieren noch heute.

Bereits 1946 wurde Paul Jerchel als „Opfer des Faschismus“ rehabilitiert und im Jahre 1949 wurde die Nauener Friedrichstraße in Paul-Jerchel-Straße umbenannt. Da es seinen letzten frei gewählten Wohnort am Lietzowplatz nicht mehr gibt, wurde vor dem Nauener Amtsgericht in der Paul-Jerchel-Straße 9 am 27. September 2016 ein Stolperstein für ihn verlegt.

Quellen:

  • Bundesarchiv Berlin, Akte DY55/ V278/6/820
  • Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden, Ehrenbuch Band 6, Seite 315
  • Broschüre „Das Zuchthaus, eine Ausstellung über das faschistische Zuchthaus Brandenburg“, Berlin 1990
  • BLHA Potsdam, 401 RdB Pdm, VdN 4584 Jerchel, Lisbeth
  • Zuarbeit Frau Ursula Arzbächer

Recherche: Manfred Schulz